Adventstee mit Jakob, dem Teezauberer.
Zu Anfang, als er noch ein Neuling im Geschäft war, genügten die Düfte, zusammen mit den fremdartig klingenden Namen, Jakob für Minuten reisen zu lassen. Er stand dann inmitten einiger Kisten, auf die mit grauer oder schwarzer Farbe in Schablonenschrift die schönen fremden Namen gepinselt waren. Sogar die Anweisungen klangen fremdartig schön:
Darjeeling, 1st Flush, 60 lbs. Handle with care. Store dry.
Panjab Tea. 1st Flush, 55 lbs. Store in a dry palace.
Gree Tea, Gunpowder Prime Quality. Hong Kong Shipping Co., Singh Palan Cie. Store in a dry palace.
Cogollo. Colombia
Balzacbro Medellin Excelso
Tanzania Coffee Arabica
Coffea rustica. Arabian blend. Dark. Via Hambrugh
Was mit den Wörtern geschehen konnte, wenn sich ein indischer oder arabischer Arbeiter, der kaum lesen konnte, in den Lagerhallen versah und die Buchstabenschablonen falsch verwendete! Dann wurde aus dem eilig hingesprühten kühlen, trockenen Ort ein kühler, trockener Palast. Aber viel mehr amüsierte Jakob, sich vorzustellen, daß es kein Irrtum war, sondern daß irgendwo in Arabien Menschen waren, die sich unter Hambrugh eine Stadt vorstellten. Es mußte eine ganz andere Stadt sein als das Hamburg, in dem die Kompanien saßen, von denen er Rechnungen bezog.
Die Düfte und die Namen. Tee roch nicht so bitter, wie er schmecken konnte. Tee roch leicht und grün und man konnte sich fast vorstellen, diesen Duft zu essen. Das einfache Wort Tee formte sich aus graugrünen, durchsichtigen Schwaden in der Dämmerung des Lagers. Tee war ein Zauberwort und hieß: China, Japan, Indien.
Jakob schmeckte diese Namen, und während er sie schmeckte, ließ er die Bilder in seinem Kopf sich entfalten.
Indien: Raschelnde Seide der Plantagenbesitzerinnen. Frauen, die mit einem Glas in der Hand auf einer Veranda stehen und den Tee wachsen sehen.
Männer in Tropenweiß. Ein Tropenhelm? Lieber kein Helm. Aber zumindest ein Pferd. Jakob bestimmte seiner Vorstellung vom Plantagenbesitzer ein Pferd. Er ritt selber gerne.
Pflückerinnen, die eintönig singend den ganzen Tag arbeiten. Den ganzen Tag. Sonne.
Japan: Tee auf den engen Bergen der Insel. Pflückerinnen, die manchmal kichern und manchmal singen und lächeln. Grüner Tee, der mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen wird und so schmeckt, wie ihn europäisches Wasser nicht bereiten kann - er schmeckt so, wie er riecht.
China: Tee und Tee und Tee und Bauern in kommunistischer Einheitskleidung, blau oder grau und alle mit einer Mütze. Aber so fern von Beijing, daß sie dem Kommunismus noch glauben, wie es in der Hauptstadt niemand mehr tut, und ganze Familien pfücken mit heiligem Ernst für das Land. Stiller, linder Regen und das dampfende Tal des gelben Flusses. Die Mongolei - das Grasland. Und Schriftzeichen auf Teeziegeln, die Jakob nicht lesen konnte. Das irritierte und faszinierte ihn zugleich.
"Tee", sagte er damals, als er von der Teekiste aufsah, Marietta und ihr Haar und ihr Lächeln bemerkte, "Tee ist ein Zauberwort. Ich reise, wenn ich Tee sage. Wie kann ich Ihnen dienen?"
Und da verliebte sich Marietta in Jakob, der auf einem Wort reisen konnte......
Selten lese ich ein Buch zweimal....
von Jakob lasse ich mich gerne ein weiteres mal verzaubern.
Ich wünsche Euch einen kuscheligen Adventssonntag :)
Während Du von Jakob verzaubert wirst, lass ich mich von Deinen Bildern verzaubern und inspirieren. Wünsche auch einen schönen 1. Advent. Gisela
AntwortenLöschenAch, das freut mich Gisi :) Ich wünsch' Dir eine entspannte Adventszeit.....
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